Der Internationale Bob & Skeleton Verband (IBSF), ursprünglich Fédération Internationale de Bobsleigh et de Tobogganing (FIBT), wurde am 23. November 1923von den Delegierten Großbritanniens, Frankreichs und der Schweiz sowie von den Vertretern Kanadas und der Vereinigten Staaten von Amerika auf einem Internationalen Kongress in Paris, Frankreich, gegründet. Anlass zur Gründung eines Verbandes war die Einführung der Winterspiele 1924 und die Anerkennung des Bobsports als olympische Disziplin.
Wir freuen uns ausserordentlich,heute bereits unser 100-jähriges Jubiläum feiern zu dürfen was gleichbedeutend ist, dass 100 Jahre Sportgeschichte hinter uns liegen, die wesentlich in Zusammenhang mit den weltgeschichtlichen Ereignissen standen. Das Ende des zweiten Weltkrieges führte nicht nur zur Teilung Deutschlands in Ost und West, sondern läutete gleichzeitig eine neue Ära in unseren Sportarten an, welche geprägt war von den sportlichen Auseinandersetzungen zwischen Ost-und Westdeutschland bzw. der Ostblock-gegen die Westblockstaaten.
Interessante Formen zur Optimierung der Aerodynamik wurden im Laufe der Zeit gesichtet. Unser Verband verstand schnell, dass man hier mit einem technischen Reglement Einhalt gebieten musste. Und obwohl es strikt verboten war, dass „Ost“ und „West“ sich austauschten, ließ der Sport lebenslange Freundschaften entstehen. Der sportliche Wettkampf fand auf der Bahn statt, außerhalb dieser, sozusagen „am Rande der Bande“, war der Umgang von gegenseitigem Respekt und Verständnis geprägt und ist dies noch heute.
Das zeigt uns, dass der Sport weit mehrist, als das Messen von Kräften, der Kampf um Medaillen. Der Sport lehrt uns Respekt, Demut und baut Brücken, die weit über die sportliche Karriere hinaus reichen.
Dass wir heute die Wettkämpfe für uns ganz selbstverständlich ohne Rassentrennung und Diskriminierung durchführen, haben wir der Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre zu verdanken. Die Frauenrechtsbewegung startete ebenfalls in den 60er Jahren und hier dauerte es weitere 40 Jahre bis wir den Frauensport im Olympischen Programm sehen konnten.
Mit der Aufnahme des Frauenbobs sowie des Skeletonsports für Männer und Frauen zu den Olympischen Spielen in Salt Lake City 2002, also fast 80 Jahre nach dem Bob-Debüt der Männer in Chamonix 1924, gelang ein weiterer Meilenstein in unserer Verbandsgeschichte. Hier gebührt die alleinige Anerkennung meinem Vorgänger Robert H. Storey, der sich unermüdlich beim Internationalen Olympischen Komitee für die Aufnahme dieser Disziplinen eingesetzt hatte. Zu den Olympischen Spielen 2022 in Beijing konnten wir nun die auf einem standardisierten Sportgerät betriebene Disziplin des Frauen-Monobobs einbringen. Das Skeleton Team Event wird zudem sein Debut in Milano Cortina 2026 feiern. Es wird weiterhin unser Ziel und Anspruch sein, den Parasport, der in unserem Verband seit 2011 vertreten ist, Teil des Paralympischen Programms werden zu lassen.
Umweltschutz und Klimawandel begleiten uns seit Ende des 20. Jahrhunderts. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass unsere Organisation bereits in den 60er Jahrendiese Problematik als existenzielle Bedrohung für unseren bis dahin auf Naturbahnen stattgefunden Sport erkannte und mit der Initiative des Baus der ersten Kunsteisbahn der Welt am Königssee den Fortbestand sicherte. Klimawandel, nachhaltiges Management sowie Energieeffizienz werden unsere Begleiter bleiben. Auch hier können wir erste Erfolge aufweisen: Auf der Kunsteisbahn in Winterberg wird eine Photovoltaik-Anlage installiert werden, die außer dem gesamten Strombedarf für die Bahn noch zusätzlichen Strom für die Region zur Verfügung stellen wird. Unsere Wettkampfstätten bieten zudem über die reine Nutzung durch den Leistungssport hinaus weitere Nutzungsmöglichkeiten für die Region, sei es als Sportstätte für Mountainbike, als Laufstrecke oder für Firmenveranstaltungen. Der weiteren Nutzung sind keine Grenzen gesetzt.
Die Globalisierung sollte das Ende des 20. Jahrhunderts prägen. Die zunehmende Vernetzung der globalen Wirtschaft barg Chancen und Herausforderungen zugleich. Wettkämpfe wurden regelmäßig weltweit durchgeführt und die Vermarktung nahm ihren Lauf. Erwähnt sei hier die Vorreiterrolle der Kunsteisbahn in Winterberg in den 90er Jahren, welche mit dem Vermarktungskonzept und der Fan-Aktivierung neue Maßstäbe gesetzt hat. Viele Bahnen folgten diesem Modell in den anschließenden Jahren.
Insbesondere im Bereich Medizin wurden im 20. Jahrhundert Fortschritte erzielt. Gleichzeitig zeigte uns die COVID-19-Pandemie 2020 bis 2022 unsere Grenzen auf. Dennoch haben wir es geschafft, mit strikter Disziplin und gegenseitiger Unterstützung unsere Veranstaltungen und letztendlich die Olympischen Winterspiele 2022 in Beijing unter Pandemie-Restriktionen durchzuführen.
Ein Dank gilt hier insbesondere dem IOC-Präsidenten Thomas Bach und dem Team des IOCs für ihren Mut, ihr Engagement und die klare Vision, diese Olympischen Winterspiele stattfinden zu lassen. Als Internationaler Verband haben wir einen kleinen Teil dazu beigetragen, wie wir es seit fast 100 Jahren als Sportart der Olympischen Spiele tun.
Der Fortschritt in der Medizin stellte uns gleichfalls vor eine neue Herausforderung: Doping. Als Ergebnis der bedrohlichen Entwicklung im Sport wurde 1999 die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gegründet, deren Mitglied die IBSF ist.
In all diesen Jahren konnten wir trotz der großen Herausforderungen immer auf langjährige Partnerschaften bauen. So ist ein Sponsorship in unserem Verband nicht nur die Sichtbarkeit eines Logos, sondern besteht vielmehr in einer langjährigen, sogar jahrzehntelangen engen Beziehung.Unsere Partner identifizieren sich mit den für unsere Sportarten einzigartigen Parametern: der technologische Anspruch, die körperliche Leistungsfähigkeit und der Mensch als entscheidender Faktor, den Erfolg zu erreichen. Wir wiederum schätzen, die innovativen Ideen, unseren Sport in verschiedensten Bereichen zu unterstützen. Insbesondere im Sinne der Nachhaltigkeit sprechen wir eine gemeinsame Sprache und das ist wichtig für uns. All das kann nur Dank der Medienpartner, Dank der vielen fleißigen Journalisten und Fotografen in alle Welt hinausgetragen.
Meine Ansprache hier wäre nicht vollständig, würde ich nicht den Mann der FIBT/IBSF erwähnen, der in seiner 41-jährigen Tätigkeit als Generalsekretär den Verband wesentlich geprägt hat: Ermanno Gardella (Generalsekretär von 1971 bis 2012). Er hat in diesen Jahren nicht nur für vier Präsidenten gearbeitet, sondern vielmehr den Quantensprung der Technologie und Digitalisierung erlebt. Vom einfachen Brief per Post, über Telex, Fax und E-Mails hat er sich allen technischen Neuerungen gestellt und diese mit Bravour gemeistert. Unser größter Respekt und Dank gilt Ermanno Gardella für seine Loyalität, seine Professionalität und seine stets freundliche Art und Weise!
Mir persönlich erlaubte der Sport, Menschen aus anderen Kulturen und Ländern kennen zu lernen. Er lehrte mich Demut und Respekt. Auf einen Tag mit Erfolg kann sehr schnell die Niederlage folgen, mit der Gewissheit, dass man niemals aufgeben darf, so dass sich sehr bald wieder ein Fortschritt zeigt. Vielmehr als der Erfolg stehen die menschlichen Begegnungen und die wichtigen Erfahrungen für das Leben im Vordergrund, die einem der Sport tagtäglich bietet.
Welche Herausforderungen stehen uns bevor? Die Schnelllebigkeit und vielfältigen Möglichkeiten,welche sich jungen Generationen bieten, stellen den Sport allgemein vor Herausforderungen. Wie schaffen wir es, junge Menschen zum Sport zu bewegen, sie über Jahre hinweg zu begeistern, mit dem Ziel der Teilnahme an einer Weltmeisterschaft oder gar den Olympischen Winterspielen zu motivieren? All diese Fragen werden wir uns stellen müssen. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass wir gemeinsam die Herausforderungen der nächsten 100 Jahre bewältigen werden, so dass noch viele, viele Generationen unsere wundervollen Sportarten ausüben können und lebenslange Verbindungen und Freundschaften über den Sport hinaus entstehen.
Mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts werden wir in wenigen Augenblicken auch eine neue Website launchen, die uns mehr technische Möglichkeiten und Flexibilität in Zukunft bieten wird. Aber wir wären nicht die IBSF, würden wir nicht alle Traditionen und Werte schätzen: so haben wir ein Buch zu unserem 100-jährigen Bestehen erstellt, welches wir in den kommenden Wochen zusenden werden.
Nun verbleibt mir nicht mehr zu sagen, als dass ich Ihnen von Herzen für Ihr Engagement und Ihre Liebe zu unseren Sportarten danken möchte!
Bild: Roger Clavadetscher
Text: Ivo Ferriani, Präsident IBSF