Marina Gilardoni gibt den Rücktritt aus dem Skeleton-Spitzensport

Marina Gilardoni gibt den Rücktritt aus dem Skeleton-Spitzensport

Liebe Skeleton Freund*innen

Gerne nehme ich Euch auf eine Reise mit. Der 10.Oktober 2021 hat meine kleine Welt nicht nur sprichwörtlich auf den Kopf gestellt, sondern mir auch einen zweiten Geburtstag beschert. Rückblickend muss ich eingestehen, dass ich grosses Glück hatte bei meinem Sturz kopfvoran mit ca. 100kmh in die Wand- auch wenn mir die Monate danach einiges abverlangten. Streikendes Gleichgewicht bei kleinsten Drehungen oder heftige Übelkeit ausgelöst durch die Vibration der Zahnbürste, lassen erahnen wie traumatisch das Erlebte für meinen Körper und mein Nervensystem war. Das erste Halbjahr verbrachte ich damit, mein Gleichgewicht mithilfe des Purzelbaums zu stabilisieren, sodass ich alltägliche Aufgaben wieder beschwerdefrei meistern konnte. Es war ein emotionales Auf- und Ab, begleitet von der Frage, was ich hätte anders machen können in China. Die Antwort ist, NICHTS. Eine schwierig zu akzeptierende Situation.

Gegen Ende des Sommers war ich soweit stabil, dass ich einige Anschübe am Startschlitten machen konnte – jedoch beim Sprinttraining weiterhin mit Übelkeit kämpfte; gleiches Bild am Athletiktest Ende August. Zudem plagten mich seit dem Sturz wiederkehrende Schmerzen in der rechten Schulter, welche bis dahin von verschiedenen Ärzten als Früh-Arthrose diagnostiziert wurden. Eine weitere Untersuchung offenbarte jedoch eine Schultereckgelenksprengung, die operativ behandelt werden musste, um Folgeschäden und Beweglichkeitseinschränkungen abzuwenden. Obschon die Operation Mitte September gut verlaufen ist, benötigt die Reha einfach seine Zeit. Dennoch hatte ich die Chance, im Februar 2023 ein paar Fahrten in St.Moritz zu absolvieren, was mich meiner Entscheidung näher brachte.

Ich bin nun an einem Punkt in meiner Karriere angelangt, an dem Herz und Kopf eine andere Sprache sprechen. Mein Herz würde am liebsten noch weitere 10 Jahre Skeleton fahren und den Rausch der Geschwindigkeit, das (internationale) Wettkampfgefühl, etc. geniessen. Der rationale Teil in mir schreit jedoch immer lauter danach, die unzähligen Zeichen wahrzunehmen und die Gesundheit nicht weiter herauszufordern. Es ist zu viel passiert in den letzten Jahren, um nicht hinzuhören. Es ist Zeit, mich vom Spitzensport zu verabschieden und Danke zu sagen.

Mein Dank geht an alle meine treuen Weggefährten, die mich durch Lob und Kritik angetrieben haben, mein Bestes immer wieder neu zu definieren. Alles was ich erreicht habe, lässt sich auf Disziplin, Ehrgeiz und die 100% Leidenschaft für diesen Sport zurückführen. Mit Stolz blicke ich nicht nur auf meine Resultate zurück, sondern auch auf den Menschen, den es aus mir gemacht hat.

Auch wenn ich mich hiermit vom Spitzensport zurückziehe, wird Skeleton immer ein Teil von mir bleiben und ich freue mich darauf, die zukünftige Generation beim Erreichen Ihrer Ziele zu unterstützen.

Marina Gilardoni

 

Foto: Marina Gilardoni zvg
Quelle: Marina Gilardoni